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Wolfgang Molitor

Klimaanpassung gehört ins Grundgesetz

Bund und Länder müssen die Städte und Gemeinden endlich besser finanziell unterstützen, um den unvermeidlichen gefährlichen Folgen des Klimawandels vor Ort vorzubeugen


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Industrie
Foto: Sandor Somkuti / pixelio.de

Die Idee ist zu gut, um sie länger in den Schubladen der Politik verschimmeln zu lassen. Der Städte- und Gemeindebund hat sie jetzt anlässlich des Inkrafttretens des Klimaanpassungsgesetzes zum 1. Juli wiederholt. Sie lautet: Wir brauchen im Grundgesetz eine neue „Gemeinschaftsaufgabe Klimaschutz und Klimaanpassung“. Weil global greifender Klimaschutz zwar eine Sache der großen Politik ist (wie die UN-Klimarahmenkonvention, das Pariser Abkommen oder das Europäische Klimagesetz), die Abfederung der oft lebensgefährlichen Auswirkungen aber im Kleinen passieren muss – in den Städten und Gemeinden, die vom Bund und den Ländern jetzt wieder einmal mit den unvermeidlich nötigen Kosten allein gelassen werden. Wie bei der Flüchtlingspolitik.


Gemeinschaftsaufgaben sind laut dem Grundgesetz bisher der Agrar- und Küstenschutz sowie die Stärkung der regionalen Wirtschaft. Der Artikel 91 a gibt die Richtung vor. Dort heißt es in Absatz 1 Nr.1: „Der Bund wirkt auf folgenden Gebieten bei der Erfüllung von Aufgaben der Länder mit, wenn diese Aufgaben für die Gesamtheit bedeutsam sind und die Mitwirkung des Bundes zur Verbesserung der Lebensverhältnisse erforderlich ist.“ Das aber will und muss bezahlt werden. Auch da ist das Grundgesetz klar: Der Bund zahlt in diesen Fällen mindestens die Hälfte der Ausgaben in jedem Land. Die Beteiligung ist für alle Länder einheitlich festzusetzen.


Kommunen rechnen mit acht Milliarden Investitionsbedarf


Die Bereitstellung der Mittel bleibt der Feststellung in den Haushaltsplänen des Bundes und der Länder vorbehalten. Bund und Länder sind hier also in der Pflicht. Deshalb müssen sie im Haushalt dort, wo die Klimawandelfolgen immer dramatischer Leib, Leben und Existenzen bedrohen, Prioritäten auch im Grundgesetz neu setzen, statt sich sozial-selbstverliebt in Fünf-Euro-Kindergeld-Erhöhungen zu sonnen. Immerhin rechnen die deutschen Kommunen mit einem Investitionsbedarf von mindestens acht Milliarden Euro pro Jahr. Sinnvoll gebrauchtes Geld.


Dass die Anpassung an die Folgen des Klimawandels zwingend nötig ist, steht außer Frage. Das Treibhausgas Kohlenmonoxid wird in der Atmosphäre noch viele Jahrzehnte wirksam sein und das Klima beeinflussen. Die damit verbundenen unvermeidlichen Schäden für Mensch, Tier und Umwelt müssen also so gering wie möglich gehalten werden. Und das fängt ganz unten an – bei den Kommunen. Angefangen von einer dem Klimawandel trotzenden Architektur mit Fassadenbegrünung und einer damit verbundenen besseren Kühlung der Innenräume, über die Stadtplanung mit der Vermeidung weiterer Bodenversiegelung, einer Neustrukturierung von Park- und Baumbewässerungen etwa durch Zisternen, über Rückhaltebecken für die Risikominimierung durch Hochwasserschäden an Brücken, den Umbau von Kiefern- oder Fichtenwäldern zur Vermeidung von Waldbränden bis hin zu einer generell an die Klimarisiken angepassten Landnutzung. Das Umweltbundesamt listet insgesamt 226 beispielhafte Maßnahmen auf. Das ist eine gewaltige Herausforderung, die allein von den Kommunen nicht bewältigt werden kann.


Wer vor 75 Jahren grundgesetzlich erkannt hat, dass Küstenschutz eine Gemeinschaftsaufgabe ist, muss im Jahr 2024 einsehen, dass auch die Vorbeugung gegen andere schwere Folgen von Naturkatastrophen im Hinterland nicht den einzelnen Städten und Gemeinden aufgebürdet werden darf. Denn die schieben bereits einen Investitionsstau von rund 180 Milliarden Euro vor sich her. Bund und Länder dürfen sie nicht im Regen stehen lassen. Der gefährliche Klimawandel hört eben nicht an Stränden und Deichen auf.

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