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Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen zum Endspurt im Wahlkampf, zur Grünen Woche und zur Unruhe unter Jägern

Autorenbild: Jost SpringensguthJost Springensguth
Wochenkolumne von Jost Springensguth

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Liebe Leserin, lieber Leser,


Anfang dieser Woche haben verschiedene Parteiengremien ihre Spitzenkandidaten mit ihren Programmen ins Finale des Bundestagswahlkampfes geschickt. Die Themen auf Plakaten und Schlagzeilen verengen sich auf wenige Schwerpunkte. Die Grüne Woche rückt Themen in den Blickpunkt, die etwa in den „Townhall-Gesprächen“ des Kanzlers kaum eine Rolle spielen. In dieser Woche blicken wir gleichzeitig in die Länder, wo sich unter Jägern wieder Unmut zusammenbraut.


Gefühlt werden wir in diesen Tagen und damit fünf Wochen vor der außerplanmäßigen Bundestagswahl von den Zahlen der Demoskopen und Prognostiker und bei Inhalten überwiegend von Wiederholungen von Schlagwörtern erschlagen. Irgendwie ist das ein anderer Wahlkampf als der, an den wir uns in der Vergangenheit mit starken oder auch schwachen Argumenten und Spitzenpolitikern mit all ihren authentischen Eigenarten gewöhnt hatten. Der Wahlkampf ist jetzt einfach anders.


Die sozialen Medien nehmen da bei den aktuellen Veränderungen eine Schlüsselrolle ein. Sie sorgen dafür, dass mehr oberflächliche Stimmungen verbreitet werden, um an Stimmen zu kommen. Witzige Bildchen oder Filmchen und Sprüche, animierte Szenen – extrem verkürzte Ausschnitte und Zitate oder die berühmten GIFs, die über die Handys huschen, gehören jetzt dazu. Sie werden millionenfach weitergeleitet, meist ohne zu wissen, wo sie herkommen. Die AfD soll als Quelle ohne Absender besonders gut, kreativ und reichweitenstark sein. Die „alten Volksparteien“ gelten da entsprechend eines gepflegten Klischees als lahm und rückständig.


Der Trend, dass in den Aussagen zunehmend nicht mehr alles stimmen muss, wird gerade in Amerika verstärkt. Das erreicht auch uns. Dahinter macht sich eine Definition von Meinungs- und Redefreiheit breit, die suggerieren will, dass es keine rechtlichen Grenzen bei Hass, Lügen, Fakes oder Beleidigungen gibt. Das schwappt in die Politik. Und schon machen wir uns Sorgen um die Festigkeit der Demokratie, wenn der politische Wettbewerb nicht mehr über Argumente, Überzeugungen, authentische Auftritte und nach demokratischen Selbstverständlichkeiten ausgetragen wird.


Der coole Kanzler und die Suche in der Union nach der richtigen Tonlage


In der Kürze des Wahlkampfes erleben wir einen Kanzler als SPD-Spitzenkandidat, der sich in einem Selbstbildnis darstellt, das so kein Außenstehender malen würde: besonnen, cool, Kriegsängste abräumend und immer die Nerven behaltend. Ist das authentisch? In seinen „Townhall-Gesprächen“ und parallel gegebenen Interviews mit den jeweiligen Lokalzeitungen muss alles ins beschriebene Schema passen.


Bei der Konkurrenz werden die Themenfelder Wirtschaft, Arbeit, Sicherheit gesetzt, aber nicht so transportiert, wie sich die Wahlkampfstrategen der Union das durchgehend wünschen. Die Hamburger Vorstandsklausur der CDU hat die „Agenda 2030“ mit dem Leitgedanken auf den Weg gebracht, dass nur durch eine gute Wirtschaftspolitik mit Steuerentlastungen eine gute Sozialpolitik zu entwickeln sei. Am Ende soll ein Wachstum von zwei Prozent stehen. Unsicher ist man aber, wie die Zeitschrift „Cicero“ es gerade formulierte, in „welcher Tonlage“ der Spitzenkandidat seine Botschaften am besten transportieren sollte. Die Partei ist auf der Suche danach, warum sie mit ihrem Kanzlerkandidaten den Deckel von knapp über 30 Prozent nicht weiter nach oben durchstoßen kann. Die Frage, wo mehr Potenzial liegt, kann niemand sicher beantworten: links von der Mitte oder doch mehr von dort nach rechts. Oder: wie Wüst es macht oder andererseits Söder. Dabei unternimmt der Bayer nichts, um die Union von den alle Inhalte überlagernden voreiligen Koalitionsdebatten zu befreien.


Bleiben wir damit bei unseren Themen und Inhalten, wenn sie schon im Wahlkampf kaum eine Rolle spielen. Die Grüne Woche wird leider überschattet von dem Thema Maul- und Klauenseuche. Da wird alles getan, um sie einzudämmen und die wirtschaftlichen Schäden nicht ins Uferlose gehen zu lassen. Unser Autor Christoph Boll hat sich gestern ausführlich damit befasst.


Hoffnung auf einen Politikwechsel mit Neustart


Foto: © Messe Berlin GmbH
Foto: © Messe Berlin GmbH

Aktuell aber bietet die Messe gerade in dieser Zeit Anlass, die Zukunftsperspektiven für die Wirtschaft und Naturnutzer in unseren ländlichen Räumen in den politischen Blickpunkt zu rücken. Landwirte und verbundene Interessengruppen nehmen die Gelegenheit in Berlin zum Anlass, an das zu erinnern, wofür sie vor einem Jahr mit ihren Treckern öffentlichkeitswirksam aufgefahren sind – und was daraus geworden ist. Die grünen Nummernschilder sind noch zu sehen, doch der Abbau der Steuerbegünstigung bis Ende dieses Jahres auf 0 ist gültige Beschlusslage. Andere Forderungen wie etwa Bürokratieabbau mit Abschaffung von doppelten Dokumentationspflichten sind bei der alten Koalition verhallt. Bauernpräsident Rukwied setzt nun auf einen Politikwechsel mit einem grundsätzlichen „Neustart“.


Dabei wird nicht nur auf eine auch dem Lande zugewandte Regierung gesetzt, sondern auch auf Brüssel. Hoffnung machte der neue EU-Agrarkommissar Christophe Hansen aus Luxemburg ebenfalls auf der Grünen Woche: In der Vergangenheit habe es zu oft polarisierende Diskussionen zwischen Landwirten, Lebensmittelproduzenten und der Zivilgesellschaft gegeben. „Es ist mir ganz wichtig, dass diese Polarisierungen aufhören.“ Für einen grünen Landwirtschaftsminister war das – so hoffen viele auf der Messe – der letzte Auftritt. Auf eine weitere grüne Regierungsbeteiligung hofft hier auf der Messe und vor der Wahl ebenso wie in Bayern kaum jemand. Bundesagrarminister Cem Özdemir, der die Bundespolitik wahrscheinlich nach Baden-Württemberg verlässt, legte einen freundlichen Auftritt mit einem Appell zur Kompromissfähigkeit hin. Das brauche es trotz gegenläufiger Interessen für eine zukunftsfähige Land- und Ernährungswirtschaft. Die Angesprochenen selbst haben nach ihren Protesten wenig Kompromissfähigkeit der bisherigen Bundesregierung in Erinnerung.


Nicht zu vergessen, was sich gleichzeitig in den Ländern tut


Alles blickt auf Berlin und die Bundespolitik. Währenddessen grummelt es in den Ländern mit ihren Zuständigkeiten wie etwa für Forst und Jagd. Daran erinnert aktuell das Forum Natur in Brandenburg. Es hat nicht nur vor der Landtagswahl mit klarer Stimme auf sich und berechtigte Anliegen im ländlichen Raum aufmerksam gemacht. Sondern es erhebt sich jetzt erneut mit klarer Stimme gegenüber der frischen Landesregierung und dem Parlament in Potsdam. Vor der Landespressekonferenz dort haben sich hier die zum Forum Natur zusammengeschlossenen Vertreter von Bauern, Fischern, Jägern, Waldbesitzern bis zu den erneuerbaren Energien mit dem Koalitionsvertrag auseinandergesetzt. Sie erkennen „in der strukturellen und personellen Veränderung des Agrar- und Umweltministeriums großes Potenzial für positive Entwicklungen im ländlichen Raum“. So formulierte es für das Forum der Vorsitzende Gernot Schmidt. Landnutzung und Naturschutz müssten in Zukunft viel stärker gemeinsam gedacht werden, hieß es dort weiter. Die beteiligten Waldbesitzer merken an: „Wie viel die Landnutzer für den Natur- und Umweltschutz tun, zeigt sich auch in unseren Brandenburger Wäldern.“ Das Forum formulierte dazu ein Zehn-Punkte-Programm, das auch woanders Schule machen könnte.


Bleiben wir bei Brandenburg, das gerade nicht nur von der Maul- und Klauenseuche heimgesucht wird. Der Landesjagdverband dort geht noch auf ein anderes Thema ein, das die Jägerinnen und Jäger anhaltend umtreibt. Es geht wieder einmal um den Wolf und bisher bei uns wenig diskutierte Schäden durch ihn: In zwei Landkreisen wurden 2024 ein Teckel und ein Jagdhund beim Einsatz während der Nachsuche in Folge eines Verkehrsunfalls durch Wolfsangriffe verletzt und getötet. Im Jahr zuvor verlor eine Hundeführerin in Dahme-Spreewald ihre Beagle-Hündin mit anschließendem DNA-Wolfs-Nachweis. Mit den Entschädigungen tun sich die zuständigen Behörden dort schwer und verzögern offensichtlich die Regulierung. Hier ist sie übrigens einmal gewünscht!


Wir können nicht länger hinnehmen, dass diese gravierenden Vorfälle weiterhin als Einzelfälle abgetan werden. Die Wolfspolitik in Brandenburg ist aus dem Ruder gelaufen. Es braucht jetzt endlich praxisnahe Lösungen für das Wolfsproblem“, so der Präsident des Landesjagdverbandes Brandenburg, Dr. Dirk-Henner Wellershoff. In Brandenburg herrsche mit über 1.000 die weltweit höchste Wolfsdichte. Der LJVB fordert die Aufnahme des Wolfes ins Jagdrecht, eine deutliche Reduzierung des aktuellen Bestandes, eine Obergrenze für Wölfe und eine dauerhafte Jagdzeit.


In einem anderen Land regt sich erneut Widerstand gegen ein geplantes Jagdgesetz. In Niedersachsen ruft die geplante Veränderung die Jägerschaft auf den Plan. Besonders im Fokus steht die von dem grünen Umweltminister angestrebte Einschränkung der Ausbildung von Jagdhunden an lebendem Wild. Sie ist nun einmal die Voraussetzung dafür, tierschutzgerecht jagen zu können. Die Demonstration der Jäger unter dem Motto „Jetzt geht`s ums Ganze – Jagd sichern, Natur bewahren“ beginnt am 30. Januar um 10 Uhr auf dem Schützenplatz in Hannover mit anschließendem Marsch zum Landtag.


Tiernachwuchs löst Beschützergefühle aus


Wie notwendig und berechtigt die Jagd ist, wissen wir. Gleichwohl lehnen viele die Jagd grundsätzlich ab, weil dabei Tiere getötet werden. Vor allem der tapsige Nachwuchs vieler Tierarten löst bei Menschen Beschützergefühle aus. Unser Autor Wolfgang Kleideiter beschreibt in der nächsten Woche dieses Phänomen in seinem Beitrag „Süchtig nach niedlichen Dingen“.


Mit diesen Hinweisen verbleibe ich für dieses Wochenende

Ihr Jost Springensguth

Redaktionsleitung / Koordination

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