Der Thüringer Landesforst hat ein großes Ziel: das vom Aussterben bedrohte Auerhuhn wieder in Thüringens Wäldern heimisch zu machen. Mit der Auswilderung von 33 Jungvögeln wurde dieses Jahr ein weiterer Schritt getan
Der thüringische Landesforst hat seine diesjährige Auerhuhn-Auswilderung abgeschlossen. 33 Jungvögel wurden zuletzt in die Natur des ostthüringischen Schiefergebirges entlassen. Sie sollen dazu beitragen, die Auslöschung der Population im Freistaat zu verhindern. Es dürfte das bundesweit größte Projekt zum Schutz und Erhalt von Raufußhühnern in Deutschland sein (siehe unseren Blogbeitrag vom 20. Mai 2024). Dieser Artenschutz bringt mit viel Aufwand einen leichten Aufwind für das Auerhuhn. Es steht in Deutschland als vom Aussterben bedrohte Tierart auf der Roten Liste.
Dabei war unsere größte Waldvogelart um 1950 in Thüringen noch zahlreich vertreten. In den 1970er Jahren aber sank der Bestand von ehemals rund 300 Tieren dramatisch auf etwa ein halbes Dutzend Hühner. Mancher meinte gar, der imposante Balzgesang der Hähne, die bis zu sechs Kilogramm schwer werden und eine Flügelspannweite von über einem Meter haben, werde für immer verstummen. Ursache war ein enormer Verlust an Lebensraum, den das Auerwild in halblichten Kiefer- und Fichtenwäldern findet. Zur Bestandsstützung waren bereits in den 90er Jahren Tiere aus Russland und Polen nach Thüringen gebracht worden. Das blieb jedoch erfolglos.
Ein Symposium im September 2010 darf deshalb als Startschuss für das Rettungsprojekt gelten. Seit 2012 wurden in den fünf Forstämtern Gehren, Neuhaus, Sonneberg, Saalfeld-Rudolstadt und Frauenwald rund 45.000 Hektar Fläche in der forstlichen Bewirtschaftung auf das äußerst scheue Waldhuhn abgestimmt. Es folgte die Auswilderung von bis zu gut 70 Tieren jährlich. Sie stammen überwiegend aus der forsteigenen und bundesweit einzigen Aufzuchtstation in Langenschade bei Saalfeld. Dort werden Auerhuhn-Küken ausgebrütet und aufgezogen. Im Alter von acht bis zehn Wochen kommen sie bis zur Freilassung in spezielle, im Wald gelegenen Auswilderungsvolieren, wo sie sich langsam an ein Leben in freier Wildbahn gewöhnen. Mehr als 400 Vögel gelangten bislang so in die Freiheit.
Nachzuchten nicht sehr robust
Trotz aller Vorbereitung und Einstimmung auf die Auswilderung gelten Nachzuchten als nicht sehr robust. Hinzu kamen deshalb zur Bestandsstabilisierung und Verbreiterung des Genpools vitale Wildfänge aus Bayern, Hessen, Niedersachsen, Polen und vorrangig Schweden, wo es mit rund 300.000 Brutpaaren die größte Population in der EU gibt. Möglich gemacht haben die Umsiedlung eine Kooperation mit Experten der schwedischen Staatsforsten, des polnischen Auerhuhnschutzprojekts Ruszów, dem Naturpark Niederlausitz, die Genehmigung der schwedischen Naturschutzbehörden sowie Fördermittel der Europäischen Union (ELER Programm). Ihren Beitrag leistet auch die gute Zusammenarbeit von ThüringenForst mit der Naturschutzverwaltung sowie -verbänden, der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, dem Landesjagdverband sowie mit den privaten und kommunalen Waldbesitzern.
Sie alle müssen ihren Beitrag leisten, wenn mit den Auswilderungen dieser faszinierenden Wildart nicht nur deren Fressfeinde gefüttert werden sollen. Es gilt, den Prädatoren nachhaltig zu Leibe zu rücken. Mit intensiver Bejagung wurden deshalb im Projektgebiet von 2013 bis 2019 mehr als 600 Füchse, 19 Dachse, 55 Steinmarder und 32 Waschbären erlegt. Besonders die zunehmende Verbreitung der nicht heimischen Waschbären in Thüringens Wäldern macht dem Auerhuhn zu schaffen. Die possierlichen Räuber plündern mit Vorliebe die Gelege von Auerhühnern. Aber auch Wildschweinen schmecken die Eier. Fachleute gehen davon aus, dass Jungvögel eines Geleges in freier Wildbahn eine Überlebenschance von 15 bis 20 Prozent haben. Für Naturschützer gilt Auerwild auch deshalb als eine sehr schwierige Art für Maßnahmen der Bestandssicherung.
Gleichwohl gilt es als Naturschutz-Leitart lichter, alter Wälder. Wo das Auerhuhn gute Lebensbedingungen hat, finden sich bald weitere schützenswerte Arten wie der Ziegenmelker, die Kreuzotter oder Sperlings- bzw. Raufußkauz ein. Das macht das größte heimische Waldhuhn für Förster und Waldökologen noch interessanter. Denn die forstlichen Maßnahmen zur Biotopgestaltung, die insbesondere die Herstellung lichterer Waldstrukturen oder die Förderung alter starkastiger Kiefern und Lärchen beinhalten, schaffen ein ausgesprochen vielfältig nutzbares Biotop mit vielen ökologischen Nischen. Zur Habitatpflege gehört zudem die zumindest zeitweise Senkung der Wildbestände. Rot- und Rehwild fressen nämlich auch Heidelbeeren, die ein wichtiger Nahrungsbestandteil des Auerhuhns sind. Es nutzt quasi alles dieser Pflanze, von den Beeren bis zu den Blättern, von den feinen Ästen bis zu den Wurzeln.
Hoher finanzieller Aufwand
Das Land Thüringen habe für die Anhebung des Auerwildvorkommens von fünf auf 25 Vögel in den Jahren 2014 bis 2019 rund 3,25 Millionen gezahlt, bezifferte der Landesjagdverband 2021 die Kosten der Maßnahmen. Das belegt den enormen finanziellen Aufwand zum Schutz des Auerwildes im Freistaat. Die vielfältigen Bemühungen zeigen aber auch Erfolge. Der Abwärtstrend wurde gestoppt und der Bestand zunächst stabilisiert. Doch musste man erkennen, dass das ursprüngliche Ziel von 100 Tieren im Jahr 2022 nicht erreichbar war. Doch in jenem Jahr sprachen ThüringenForst-Vorstand Volker Gebhard und Landesforstministerin Susanna Karawanskij von der „Trendwende“. Nachdem 2015 erstmals Nachwuchs aus freier Wildbahn registriert wurde und bereits im Winter zuvor regelmäßig mehr als zehn Tiere beobachtet worden waren, kamen damals in den Kernlebensräumen des Schiefergebirges erstmals seit 2010 wieder drei unterschiedliche, alte balzende Hähne in Anblick.
Das aufwendige Artenschutzprogramm zeigt inzwischen weitere Erfolge. Nachweise für ein Balzgeschehen und Hinweise auf in freier Natur erfolgter Reproduktionen lassen die Experten hoffen und die Landesforstanstalt im vergangenen Jahr bilanzieren, die Population von inzwischen rund 40 Tieren „wächst nachhaltig“. Bis zu einer sich selbst tragenden Population von etwa 100 Exemplaren braucht es aber noch einen langen Atem auf einem steinigen Weg. So wirken die klimawandelbedingten Borkenkäferschäden einerseits negativ auf die Habitate des Auerhuhns ein, andererseits geben sie zugleich Hoffnung für die Zukunft. Denn die neue Waldgeneration wird baumarten- und strukturreicher sein und auch die Heidelbeere profitiert von dem dann größeren Lichtangebot.
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