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AutorenbildJost Springensguth

Die Europawahl und die ländlichen Räume – Gesunde Milch und steigende Kartoffelpreise

Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche


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Liebe Leserinnen und Leser,


das Wichtigste für unsere Zukunft ist in diesen Tagen die Wahl zum Europäischen Parlament. Sie hat in einigen EU-Ländern am Donnerstag begonnen und bei uns sind morgen die Wahllokale geöffnet – übrigens parallel in einigen Bundesländern zur Wahl vieler kommunaler Amtsträger.


Bleiben wir bei der Bedeutung der EU-Wahl, insbesondere mit Blick auf die Entwicklung unserer ländlichen Räume in Deutschland. Es geht um viele politische Weichenstellungen zum Funktionieren von Zusammenleben und Arbeiten dort. Dabei stehen wir in Konkurrenz mit unzähligen Regionen der 27 Mitgliedsstaaten, die in Summe gleichzeitig globale Wettbewerber sind.


In vielen Facetten betreffen EU-Entscheidungen den Umgang mit unseren Ressourcen. Das hat am Ende weitestgehend mit der Nutzung unserer Natur zu tun. Das Wort „uns“ bezieht sich auf die unmittelbaren Lebensräume, wie auch die ferneren und globalen. Bei den jüngsten Klimaerlebnissen wird der ganzen Welt vor Augen geführt, dass es für vieles keine Grenzen gibt, dass aber über die auf den Landkarten existierenden Grenzen hinweg der europäische Regelungsbedarf wächst. Zur Freizügigkeit etwa einer Schengen-Regelung gehört auch gemeinsames politisches Handeln. Ob man da über längst nicht mehr existierende Verordnungen – etwa zum Krümmungsgrad der europäischen Gurke – polemisiert oder nicht: Vernünftige, der jeweiligen Zeit angepasste Regelungen für den gemeinsamen Markt sind einfach notwendig. Und dafür sind aktuell in großem Umfang neben lokalen, regionalen und nationalen Zuständigkeiten insbesondere diejenigen in den nächsten fünf Jahren gefragt, die auch auf unseren Wahlzetteln stehen und vor allem gewählt werden. Auf europäischer Ebene wird immer mehr entschieden – manchmal mehr, als man im Alltag meint. Und das ist auch gut so, weil wir uns am Ende nun einmal im globalen Wettbewerb zu behaupten haben.


Erste Einschätzungen zur Europawahl


Unser Autor Ludwig Hintjens, der für uns ständig aus Brüssel, Straßburg und den europäischen Regionen berichtet und Einordnungen vornimmt, fasst vor Auszählung der Stimmen zusammen, was prognostiziert wird und zu erwarten ist:

Es zeichnet sich anhand der Umfragen ab, dass die christdemokratische EVP-Fraktion mit Ursula von der Leyen als Spitzenkandidatin mit Abstand wieder die stärkste Kraft im nächsten Europaparlament wird. Die Sozialisten dürften etwa stabil bleiben und Platz zwei belegen. Die Wahlverlierer werden Liberale und Grüne sein, die beide kräftig Sitze einbüßen werden. Klar ist auch, dass rechte Parteien massiv zulegen. Diese und rechtsradikale Gruppierungen könnten auf bis zu 180 von 720 Sitzen kommen. Wobei schon vorliegende Trends aus den Niederlanden etwas Hoffnung geben. Dort wurde bereits am Donnerstag gewählt.


Im Europaparlament sind förmliche Koalitionen unüblich. Fraktionen verabreden informell die Zusammenarbeit. Man geht davon aus, dass es wieder für eine informelle Koalition zwischen Christdemokraten, Sozialisten und Liberalen reicht. Auch die Grünen würden diesmal gern mitmachen, fordern dafür aber Zugeständnisse bei Inhalten und der Besetzung der zu vergebenen Spitzenjobs. 


Nach Schließung der letzten Wahllokale am Sonntagabend um 23 Uhr in Italien wird Manfred Weber (CSU), der die christdemokratische Parteienfamilie EVP führt, Verhandlungen mit Sozialdemokraten und Liberalen aufnehmen. Sein Ziel: Er will eine Mehrheit für die Wahl von Ursula von der Leyen zur Kommissionspräsidentin im Europaparlament Mitte Juli organisieren.   


Die führenden Kräfte im Parlament wollen damit den Staats- und Regierungschefs zuvorkommen, die sich am 17. Juni treffen, um ihrerseits über die Besetzung des Jobs an der Spitze der Kommission und des Rates zu verhandeln. 2019 konnte sich das Parlament nicht einigen, da haben dann die Staats- und Regierungschefs bei einem Gipfel selbst ein Personalpaket geschnürt. Mit dem Ergebnis, dass dem Parlament von der Leyen als Kommissionspräsidentin vorgeschlagen wurde. Wenige Wochen später wurde sie mit sehr knapper Mehrheit im Europaparlament gewählt.


Die Formen der Naturnutzung bleiben ein umstrittenes Thema


Auch wenn es etwa in Zeiten der Klimadebatten nicht jedem recht ist: Der Mensch kann und muss die Natur nutzen, wie er dies seit unzähligen Generationen jeweils im Einklang mit seinen Kenntnissen der jeweiligen Zeit tut. Er hat sie natürlich zu schonen und zu erhalten. Das sind die großen Themen der Zukunft mit kontroversen Debatten, die auch Umwelt-NGOs vorantreiben. Dazu gehört unser gleichermaßen übergeordnetes und jeweils eigenes Interesse an der Gesunderhaltung von Feld und Wald. Da sind insbesondere die Gestalter naturnaher Lebensgemeinschaften mit ihren Verflechtungen etwa von Bauern, Förstern, Jägern mit den Konsumenten in einem breiten Fächer zwischen Ernährung und Erholung gefragt.


Milchprodukte gehören zur Ernährung der Zukunft“


Bleiben wir nach den Wahlen im Alltag zu Hause, wozu für jeden von uns das Thema Ernährung gehört. In meiner letzten Wochenkolumne habe ich behauptet, dass trotz aller Unkenrufe und Schlagzeilen über exotisch minimale Gesundheitsgefährdungen für Milchtrinker praktisch nichts zu befürchten ist. Im selben Boulevardblatt, wo die Schlagzeile in Frageform zu lesen war, wie gefährdet unsere Milch durch Bestandteile eines Vogelgrippe-Virus sei, hat die Milchwirtschaft geantwortet. Nicht direkt, aber offensichtlich gezielt per bezahlter Anzeige ganzseitig steht jetzt im selben Blatt die Überschrift „Warum Milchprodukte zur Ernährung der Zukunft gehören“. Hinzu kommt der plakative Hinweis darauf, wie gesund Milch ist – bestätigt vom prominenten Zukunftsforscher Matthias Horx. Für die bekannte Sonntagszeitung zahlt sich das am Ende aus und ich bleibe unverändert bei meinem Rat: Weiter Milch trinken!


Kartoffeln essen wird offensichtlich immer teurer


Kartoffeln
Foto: w.r.wagner / pixelio.de

Hoffentlich profitieren am Ende mehr die inländischen Erzeuger als der Handel von dieser Meldung: In der nächsten Zeit sollen die Preise für Kartoffeln auf den Märkten und in den Gemüseabteilungen der Supermärkte steigen. Quelle ist die Agrarmarkt-Informations-Gesellschaft (AMI), die von einer „Hochspannung am Frühkartoffelmarkt“ berichtet. Die Hausse kommt demnach aber aus den Herkunftsländern der Speisefrühkartoffeln wie etwa Spanien. Wie sich das dann im Übergang zur inländischen Produktion und die Anschlussvermarktung auswirkt, ist somit noch offen. Jedenfalls, so schreibt der Informationsdienst, kamen die Frühkartoffeln aus dem geschützten Anbau in Deutschland zeitgerecht in die Erde und entwickelten sich bisher sehr gut. Damit ist wieder belegt, wie bei solchen Marktberichten europäische Aspekte zu beachten sind, die sich bei uns vor der Haustür auswirken.


Ausflugsziel: Tag des offenen Hofes


Wer mal bei uns erleben will, wo zum Beispiel Milch und Kartoffeln herkommen, kann das an diesem Wochenende beim „Tag des offenen Hofes“ erleben. Auf diese bundesweite Aktion hat unser Autor Wolfgang Kleideiter in unserem Blog bereits am Donnerstag hingewiesen. Seine Empfehlung: „Gerade den Einwohnern der Städte kann man deshalb nur raten, das spezielle Angebot an diesem Wochenende und teilweise auch an den folgenden Juni-Wochenenden zu nutzen.“ Auf der Homepage des Deutschen Bauernverbandes kann man anhand der Postleitzahl und auch auf einer digital aufbereiteten Karte nach Angeboten in der Nähe suchen.


Natürlich ist dieser Hinweis auf den „Tag des offenen Hofes“ mit der Anmerkung verbunden, dass diese Aktion in Baden-Württemberg und Bayern nicht überall möglich ist. Die Hochwassersituation überlagert dort fast alles. Mit dem Aufräumen allein ist es nicht getan. Schreckliche Schäden sind die Hinterlassenschaft in vielen Dörfern, auf Höfen und in den Revieren. Vergessen wird angesichts des menschlichen Leids auch oft, was mit den Tieren geschieht. Das gilt insbesondere dort, wo keine Rettung möglich ist: beim Wild. Dies haben wir bereits bei der niedersächsischen Hochwasserkatastrophe zu Jahresbeginn geschildert. Das gilt unverändert für die jetzt betroffenen Regionen, wo die Jägerinnen und Jäger gerade in der Hege unterwegs sind und versuchen, rettend einzugreifen, wo es nur geht.


Und beim Thema Wolf bleibt weiter alles beim Alten…


Kaum jemand hat's gemerkt, doch der Wolf war mal wieder Thema im Bundestag – wie öfter schon nur als Randereignis in einer Sitzungswoche. Die Abgeordnete Melanie Benstein (CDU, Segeberg-Stormarn) hat in einem Antrag für ihre Fraktion gefordert: „Die Bundesregierung muss endlich ihre Blockadehaltung aufgeben und dem Vorschlag der EU-Kommission zustimmen, den Schutzstatus für Wölfe in der Berner Konvention herabzustufen. Das wäre ein wichtiger Schritt in Richtung eines Bestandsmanagements. Nur so könnten die Wolfsbestände in Deutschland auf rechtssichere Weise kleingehalten werden. Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass die neuen Regelungen zum Umgang mit Problemwölfen ein reines Placebo sind. Stand heute ist noch kein einziger Wolf auf dieser Basis geschossen worden. Wir erwarten von der Bundesregierung ein klares Signal, dass sie sich hinter die Menschen im ländlichen Raum stellt. Nicht der Wolf ist vom Aussterben bedroht, sondern unsere Weidetierhaltung.“


Derweil werden die Schaf- und Weidetierhalter unverändert bei ihrer aus der Not geborenen Aussage bleiben: „Die ungebremste Ausbreitung der Wölfe und die Untätigkeit der Politiker fordern weiterhin Opfer“


Mit dieser von Enttäuschung geprägten Feststellung verbleibe auch ich mit den besten Wünschen für dieses Wochenende. Und: Am Sonntag bitte den Gang ins Wahllokal einplanen!

Ihr

Jost Springensguth

Redaktionsleitung / Koordination

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