top of page

Die EU ist klimamüde geworden

Ludwig Hintjens

Mit einem schwachen Mandat reist die EU-Verhandlungsdelegation zur Internationalen Klimakonferenz nach Aserbaidschan


Beitrag anhören (MP3-Audio)

Foto: Sandor Somkuti / pixelio.de

Die 29. Internationale Klimakonferenz (COP29) startet am 13. November in Baku in Aserbaidschan. Wenn sich die Unterhändler dann in einem Stadion treffen, hat die EU-Delegation ein klares Ziel: Sie will durchsetzen, dass sich mehr Staaten an den Klimamaßnahmen beteiligen. Unter Klimamaßnahmen versteht man Programme zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel in den Ländern Afrikas, Asiens und Südamerikas. In den 100-Milliarden-US-Dollar-Fonds für Klimamaßnahmen hatten bislang nur Geberländer eingezahlt, die bereits Anfang der 1990er Jahre eine industrialisierte Volkswirtschaft hatten.


Inzwischen sind etliche Länder, die ehemals als Entwicklungsländer galten und bisher die Klimamaßnahmen nicht finanzieren, zu einer beachtlichen Wirtschaftsleistung gekommen. Zu nennen sind hier etwa Schwellenländer wie China, Brasilien und die Golfstaaten, die mit ihren Rohstoffschätzen an fossilen Brennstoffen reich geworden sind. Nun sollen Länder, die es zu einem gewissen Wohlstand gebracht haben und mit hohen Emissionen zum Klimawandel beitragen, zur Kasse gebeten werden.


Vor allem China und die öl- und gasproduzierenden Golfstaaten sind hier im Blick. Sie sollen sich am neuen Klimafinanzierungsziel beteiligen. Auf diese Position einigten sich die 27 EU-Mitgliedstaaten kürzlich. Allerdings: Ihre Verhandlungsposition war bei Klimakonferenzen schon einmal stärker. Die Umweltminister der EU-Mitgliedstaaten konnten sich nicht auf eine „Hausnummer“ für die Mittel einigen, die die EU zum nächsten Klimafinanzierungsprogramm beisteuern will.


Viele Staaten sind finanziell klamm


Offiziell hieß es, dies geschehe aus taktischen Gründen. Das soll so viel heißen wie: Wenn die EU sagt, wie viel sie bereit ist zu geben, werden andere Kandidaten ihre Taschen geschlossen halten. Es drängt sich vielmehr der Eindruck auf, dass die EU-Staaten nicht über Summen sprechen wollen, weil so viele Mitgliedstaaten klamm sind. Frankreichs Haushaltsdefizit übersteigt in diesem Jahr sechs Prozent der Wirtschaftsleistung (drei Prozent sind erlaubt), auch Polen und weitere Mitgliedstaaten haben Probleme mit dem Euro-Stabilitäts- und Wachstumspakt. Und in Deutschland ist höchst fraglich, ob die Ampel sich überhaupt noch einmal für einen Etat zusammenraufen kann.


Die EU sollte sich dringend auf einen wuchtigen Beitrag für die Klimafinanzierung einigen: Erst dann wird der Chef-Verhandler der Europäer, der bisherige und neue Klimakommissar Wopke Hoekstra, in der Lage sein, den Verhandlungsauftrag zu erfüllen und den Kreis der Geberländer zu erweitern.


Auch bei anderen Verhandlungspositionen ist die EU nicht so schlagkräftig aufgestellt, wie man es sich wünschen würde für eine internationale Konferenz, bei der es um die Bewohnbarkeit des Planeten im 21. und 22. Jahrhundert geht. Eine heikle Frage ist etwa: Wie halten es die Europäer mit der Atomkraft? Die EU-Länder sind zerstritten: Frankreich und andere Mitgliedstaaten sind fest davon überzeugt, dass die ambitionierten Klimaziele nur mit Atomkraft einzuhalten sind. Auf der anderen Seite stehen Deutschland und andere: Sie führen den Club der Erneuerbaren an. Weil sich der Nuklear- und der Club der Erneuerbaren nicht einigen konnten, fährt die EU nun mit einem windelweichen Kompromiss nach Baku: Atomkraft sei eine von mehreren Möglichkeiten, Klimaschutz zu betreiben. Bei den Reibereien haben die EU-Staaten viel Energie vergeudet. Absehbar wird die Frage Atom oder Erneuerbare nämlich bei der COP29 nur eine untergeordnete Rolle spielen.


Die Ursachen für das schwache Mandat der Europäer müssen benannt werden: Zum einen ist da die ungarische EU-Ratspräsidentschaft. Die Regierung des Trump-Bewunderers Viktor Orbán führt für sechs Monate die „Geschäfte“ im EU-Ministerrat. Von seiner Regierung kann man nicht viel Unterstützung für Klimaschutz erwarten. Doch auch die anderen EU-Staaten haben beim Klimaschutz Biss verloren: Während im ersten Mandat von Ursula von der Leyen noch Klima- und Artenschutz das überragende Thema war, dem andere Politikfelder untergeordnet wurden, ist die Sorge um Industriearbeitsplätze in den Mittelpunkt getreten. Die Europäer sind klimamüde geworden.

Comentarios


bottom of page