Die Strohschneider-Kommission zur Zukunft der EU-Landwirtschaft will die Marktmacht der Erzeuger stärken
Es ist bitter, wenn Bauern unter Produktionskosten Lebensmittel an den Großhandel und die Handelsketten verkaufen müssen. Das kommt vor, zumal in Deutschland, wo die Lebensmittelpreise niedrig sind. So ist hierzulande das Preisniveau niedriger als etwa in der Slowakei – und das, obwohl die Wirtschaftsleistung pro Kopf in Deutschland mehr als doppelt so hoch ist wie in der Slowakei.
Der Grund, warum Erzeuger sich etwa gegenüber den Einkäufern der großen Discounter geschlagen geben müssen, ist ihre fehlende Marktmacht. Sie sind gegenüber oligopolartigen Strukturen auf der anderen Seite häufig buchstäblich ohnmächtig. Da wird immer wieder auch mit unfairen Tricks gearbeitet. Kurzfristig werden Bestellungen verderblicher Lebensmittel wie Gemüse oder Obst storniert, um die Erzeuger mürbe zu machen. Der Handel bezahlt viel zu häufig spät, 30 und mehr Tage nach der Lieferung. Geschäftsgeheimnisse werden missbraucht, um die Anbieter untereinander auszuspielen. Auch das passiert: Unverkäufliche Waren werden zurückgeschickt, Kosten für Lagerung, Platzierung und Listung der Produkte werden den Erzeugern aufgebürdet. Anfang des Jahres hat die Kommission einige dieser unfairen Handelspraktiken bereits verboten.
Doch damit ist es nicht getan. Die Strohschneider-Kommission, die gerade ihren Bericht zur Zukunft der europäischen Landwirtschaft Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen übergeben hat, macht darin auch Vorschläge, wie die Politik für mehr Fairness in den Lieferketten sorgen kann.
Verhandlungsmacht stärken
Es läuft im Grunde darauf hinaus, die Verhandlungsmacht der Erzeuger zu stärken. Sie sollen sich mehr als bisher zu Erzeugergemeinschaften, Kooperativen und sektoralen Branchenorganisationen zusammenschließen. Sie sollen sich besser vernetzen und Wissen austauschen über den Handel und Verhandlungsstrategien. Sie sollen zudem die Kosten für den Maschinenpark drücken, indem sie die Verwendung von Spezialgeräten besser untereinander aufteilen. Auch die Kommission soll behilflich sein, um für Transparenz zu sorgen. Sie kann Daten zum Markt und zu Käufertrends erheben und publik machen. Es soll eine Beobachtungsstelle für Produktionskosten, Preise, Gewinnspannen und Handelspraktiken geschaffen werden. Die Beobachtungsstelle sollte die durchschnittlichen Produktionskosten pro Sektor und Region beschreiben.
Es gibt auf Ebene einiger Mitgliedstaaten gesetzliche Regelungen, die die Preise von Lebensmitteln kontrollieren und dafür sorgen, dass die Bauern nicht unter die Räder kommen. Die Kommission soll prüfen, ob die Erzeuger von diesen Maßnahmen profitieren. Wenn sie sich als geeignet herausstellen, soll die EU-Behörde eine Übernahme prüfen. Die Kommission soll zudem dafür sorgen, dass Landwirte und Erzeuger Hinweise auf neue unfaire Handelspraktiken vertraulich bei der Kommission platzieren können.
Ein Patentrezept, um die Verhandlungsposition der Erzeuger aufzuwerten, haben die Experten auch nicht. Die Marktmacht der Erzeuger zu stärken, ist abstrakt ein einleuchtendes Ziel. Sehr wohl würde aber auch ein Blick auf die Strukturen bei den Einkäufern lohnen. Die nationalen Wettbewerbshüter sollten prüfen, ob es Anhaltspunkte gibt für den Missbrauch der Marktmacht in der Lebensmittel-Lieferkette.
In Deutschland haben es die Erzeuger mit einer sehr überschaubaren Zahl von Unternehmen zu tun, die unter sich das Geschäft des Lebensmitteleinzelhandels ausmachen. Edeka, Rewe, Aldi und die Schwarz-Gruppe kontrollieren 80 Prozent des Marktes. In Belgien etwa mit seinen rund elf Millionen Einwohnern dominieren nur zwei Handelsketten. Mehr Vielfalt würde dazu beitragen, dass die Erzeuger nicht so leicht gegeneinander ausgespielt werden.
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