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AutorenbildJost Springensguth

Blicke nach Brüssel und Berlin – Verbandsversammlungen in Geschlossenheit

Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche


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Liebe Leserinnen und Leser,


trotz der Parlamentswoche hat die politische Welt in den letzten Tagen mehr auf Brüssel als auf Berlin geschaut. Das Führungspaket um Ursula von der Leyen wurde geschnürt und muss nun noch durch das EU-Parlament gebracht werden. Dabei allerdings zeigt sich die italienische Ministerpräsidentin etwas verschnupft, weil sich der Wahlerfolg der hinter ihr stehenden rechten Parteien im Personaltableau nicht widerspiegele. Viele Gesetze, Beschlüsse und Entscheidungen der Administration wirken sich auf Interessen der ländlichen Regionen auch bei uns aus. Unabhängig von den Personalentscheidungen läuft der Apparat weiter, wie wir am folgenden Beispiel sehen.


So blickt unser Autor Ludwig Hintjens aktuell darauf, wie China landwirtschaftliche Produkte aus Europa in den Fokus nimmt. Peking hat angekündigt, Schweinefleisch aus Europa auf Dumping hin zu untersuchen. China habe den Verdacht, dass Mitgliedstaaten der EU die Aufzucht von Schweinen unzulässig subventionierten. Dahinter steckt die Drohung, Strafzölle auf den Export von Schweinefleisch zu erheben. Noch sind wir nicht so weit. Zunächst einmal geht es der Regierung in Peking darum, Verhandlungsmasse zu schaffen. Die Kommission hatte nämlich Zölle auf E-Autos aus chinesischer Fabrikation verhängt. Während niemand Zweifel an den Dumpingpreisen für E-Autos aus China hat, gibt es keine Anhaltspunkte für ungerechtfertigte Subventionen beim Schweinefleisch. Auch China muss Beweise vorlegen, bevor es Strafzölle erhebt. Im Fokus stehen dabei wohl zunächst Spaniens Schweinemäster …

Gleichwohl bleiben bei unserem Blick auf den Bundestag vermeintliche Randthemen nicht verborgen. So gab es in dieser Woche eine öffentliche Anhörung zum „besten Vorgehen gegen fischfressende Kormorane“. Wen die Uneinigkeit darüber interessiert: https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-1010310


Angler und Binnenfischer fordern seit langem, dass der Schutzstatus des Kormorans herabgesetzt wird. Auf das Konto des unter strengem Artenschutz stehenden imposanten Wasservogels mit der hakig gebogenen Schnabelspitze gehen Beutezüge in Fischteichen und Seen. Von dieser Bundesregierung dürfen die Freizeit- und Berufsfischer keine Unterstützung erwarten. Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hintertreibt auch jegliche Möglichkeiten, die das EU-Recht heute schon bietet, für „Entnahmen“, deutlicher ausgedrückt: z. B auch Abschüsse von auffälligen Exemplaren des Beutegreifers Wolf. Hilfe müsste von der EU kommen: Die CDU-CSU-Abgeordneten im Europaparlament bestehen darauf, dass die FFH-Richtlinie in dieser Wahlperiode neu verhandelt wird. Wenn die Kommission unter der vermutlich nächsten Präsidentin Ursula von der Leyen diesem Wunsch nachkommt, könnte der Schutzstatus bei etlichen Arten herabgesetzt werden. Dringend nötige Eingriffe in den Bestand bei Arten, die keine natürlichen Feinde haben, wären dann möglich. Im Blick: Wolf, Kormoran, Biber, Bär, Saatkrähe und andere. 


Die endlose Suche nach einem Kompromiss…


Derweil hört man vom Kernthema der Ampelregierung im Moment nicht viel. Nur: Die erwartete Einigung über den nächsten Bundeshaushalt lässt länger auf sich warten, als sich das selbst der Bundeskanzler wünscht. Der linke Flügel seiner Fraktion zieht rote Linien bei Einschränkungen der Sozialleistungen. Die FDP will genau dort runterfahren und bleibt eisenhart bei der Schuldenbremse. Mal sehen, wie Olaf Scholz das beieinander bringt. Nach dem ZDF-Politbarometer von gestern rechnet die Hälfte der Deutschen nicht mit einer zeitnahen Einigung.


Die Grünen lehnen sich derweil zurück, obwohl sie schon Konflikte in einer Kombination aus Fehleinschätzungen und Fehlkalkulationen in die Regierung eingebracht haben. Da kann man als Beispiel das vielzitierte Heizungsgesetz nehmen, wo Bundeswirtschaftsminister Robert Harbeck schon in sich gegangen ist und inzwischen selbst mehrfach Fehler eingeräumt hat. Bei einem Bürgerdialog in Berlin hat er vor einige Zeit zur Frage bemerkt, wie weit die Gesellschaft bereit sei, Klimaschutz konkret zu tragen: Da sei er dann doch zu weit gegangen. Nach den Zahlen kann man das auch auf die Akzeptanz der Elektromobilität übertragen. Da hat es vielleicht eine Anfangsbegeisterung bei der öffentlich geförderten Erstbeschaffung von Elektroautos gegeben. Das ist vorbei. Es werden aktuell mehr Verbrenner als E-Autos gekauft und zugelassen. Der Anteil der E-Autos an den Neuzulassungen insgesamt lag im Mai bei etwa 12,6 Prozent und betrug damit 30 Prozent weniger im Vergleich zum Vorjahresmonat.


Die Auswirkungen dieser politischen Entscheidungen mit langfristigen Festlegungen bei Autobauern wie VW und Ford auf Elektroantriebe strahlen auf die Standorte und die Zulieferer aus. Mit Alternativen für Antriebe schwerer technischer Fahrzeuge – etwa in Land- und Forstwirtschaft – wird das kaum anders werden.


Alle blicken jetzt bei dieser politischen Lage auf die nächsten Wahlen und damit die östlichen Bundesländer. Die größten Bauchschmerzen in der Ampel muss dabei die SPD mit ihrem stoisch wirkenden Kanzler haben. Gestern hören wir ebenfalls vom aktuellen Politbarometer des ZDF, dass die SPD es bei der Sonntagsfrage noch auf 14 % bringt. Die Co-Vorsitzende Saskia Esken erlebt derzeit bei ihren systematisch geplanten Ost-Terminen die Stimmung dort. In der Süddeutschen Zeitung wurden ihre Erlebnisse im SPD Kreisverband Stendal letzte Woche unter der Überschrift „SPD auf Rutschpartie nach unten“ beschrieben. Dort habe sie sich die Schilderung eines Parteifreundes anhören müssen, dass die AfD alle Anlässe – ob Messerangriff oder Migration – ausnutze, jeden Vorfall auszuschlachten. „Wir kommen da nicht mehr gegen an“, wird ein SPD-Mann vor Ort zitiert. Und dann wird die Antwort der Parteivorsitzenden „zu alledem“ zitiert: „Es gelingt uns nicht so gut, Antworten auf die Alltagssorgen zu finden.“ Das kann man auch als Beleg einer Hilflosigkeit werten, vor allem wenn ein anderer Genosse ihr mit auf den Weg gibt, dass der Kanzler hier zudem höchst unbeliebt sei.


Zwei große Verbandsversammlungen: DJV und DBV


DBV-Präsident Joachim Rukwied (Foto: DBV)
DBV-Präsident Joachim Rukwied (Foto: DBV)

Bleiben wir auf dem Lande und dabei, was sich dort in den letzten Tagen und in Bezug auf den ländlichen Raum getan hat. Da waren fast nebeneinander die Verbandstagungen der Bauern in Cottbus und der Jäger in Mainz. Beide Großveranstaltungen haben gemeinsam, dass diese beiden großen Organisationen Geschlossenheit demonstrieren – jeder für sich: der Deutsche Bauernverband (DBV) und der Deutsche Jagdverband (DJV). Diese zeigen klare Reaktionen in einer überwiegend grün-rot geprägten politischen Landschaft. Sie ist eher von Gegenwind als von Unterstützung für die berechtigten Interessen der Menschen dort geprägt. Da sind Männer und Frauen, die ackern, Tierzucht betreiben, heimische Lebensmittel produzieren, Forstwirtschaft auf Generationen anlegen, zur Jagd gehen, imkern oder auch Fische auf die Speisekarten bringen. Daraus ergibt sich ein Katalog von Gemeinsamkeiten, die auf beiden Bundeskongressen immer wieder beschworen wurden. Wie existenziell und bedeutend dieser Komplex für unsere gesamte Gesellschaft in unserem Land ist, wird von der aktuellen Politik kaum angemessen reflektiert.


Eines der Kernthemen beider Verbände bleibt der endlich auch politisch zu kontrollierende Umgang mit dem Thema Wolf. Helmut Dammann-Tamke, der DJV-Präsident, fordert erneut mit guten Gründen ein Populationsmanagement für dieses Tier, das inzwischen in der Zunahme und damit Dichte seiner Verbreitung auch in der breiten Bevölkerung wachsende Sorgen auslöst. Wer an der See oder in den Bergregionen Urlaub macht, erkennt inzwischen, was auf den Deichen und den Almen geschieht, wenn Weidetiere zunehmend vom Wolf gefährdet werden. Bernhard Krüsken, der Generalsekretär des Bauernverbandes, unterstrich vor den Jägern, dass die Politik beim Thema Wolf die Realitäten nicht anerkennt.


Es gab auch was zu feiern: Der Jagdverband besteht 75 Jahre. Nur noch eine süffisante Anmerkung dazu: Ausgerechnet „Scholz & Friends“ heißt die Kampagnenagentur, die im Gegensatz zu „Kanzler & Ampel“ nachgewiesenermaßen als erfolgreiche Truppe gilt. Unter dem Motto „Grüner wird´s nicht“ soll sie für unsere Jägerinnen und Jäger die Akzeptanz in der Gesellschaft steigern. Wer mehr zum Jubiläumsjägertag erfahren möchte, sollte am besten in die Fachzeitschriften schauen.


Stimmung unter den Bauern ist weiter mies“


Mit ähnlich klaren Botschaften ging es zu beim Deutschen Bauerntag in Cottbus. Er schließt sich mit seinen Positionen nahtlos an die sogenannten Bauernproteste unter Regie des DBV an. Präsident Joachim Rukwied forderte eingangs, Perspektiven für die Landwirtschaft zu schaffen. „Mit unseren Bauernprotesten haben wir Türen aufgestoßen und deutlich gemacht, dass Wettbewerbsfähigkeit bei allen Gesetzesvorhaben zwingend mitgedacht werden muss. Während auf EU-Ebene ein Umdenken erkennbar ist, scheint die Bundesregierung noch immer nicht verstanden zu haben, dass der Wirtschafts- und Landwirtschaftsstandort Deutschland nur dann zukunftsfähig ist, wenn er auch wettbewerbsfähig ist.“


Über den Kongress der Landwirte in Cottbus wird Wolfgang Kleideiter am Montag in unserem Blog berichten. Sein erster Eindruck: „Die Stimmung unter den Bauern ist weiter mies.“


Zum Schluss füge ich noch zwei Leseempfehlungen an. Es kann nicht verkehrt sein, mal erfahrene Politiker im Ruhestand zu befragen. In einem Interview, das Jürgen Muhl geführt hat, nimmt der frühere Ministerpräsident und aktive Jäger Peter Harry Carstensen zur Politik für die ländlichen Regionen Stellung. Den ersten Teil können Sie schon lesen.


Am Dienstag folgen in unserem Blog seine Ansichten zum Thema Jagd.

Und wenn wir schon bei Leseempfehlungen sind, kann ich es mir nicht verkneifen, dass einer unserer Autoren unter die Verfasser regionaler Krimis gegangen ist. Der Titel passt von der Farbe her zu unseren Themen, spielt aber auf einem Golfplatz mit den Verflechtungen eines damit zusammenhängenden Clubs. Wolfgang Kleideiter hat gemeinsam mit einem medizinischen Fachmann der Neurologie und Psychiatrie ein Meisterwerk von Sprache & Spannung verfasst: „Nero und das blutige Grün“. Zu einer Buchempfehlung gehören Umfang, Bezugsquellen und Preis: 412 Seiten, 16,90 €, zu erhalten im Handel und online im Buchshop von „Books on demand“.


Später empfehle ich wieder einmal Lektüre über und zur Jagd – dann aber wieder etwas anderes als einen Krimi.


Mit diesem Hinweis verbleibe ich mit meiner diesmal anlassbezogenen etwas längeren Wochenkolumne

Ihr

Jost Springensguth

Redaktionsleitung / Koordination

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