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Abschied von der Gießkanne

  • Autorenbild: Frank Polke
    Frank Polke
  • 20. Okt.
  • 3 Min. Lesezeit

Der ländliche Raum braucht mehr öffentliche Förderung. Das Bundesland Thüringen schaut jetzt genau hin, wie es gehen kann


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Foto: ChatGPT
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Das Geld wird knapp, auf kommunaler Ebene und auf Landesebene. Auch Förderprogramme aus staatlichen Töpfen des Bundes und der Länder werden aus diesem Grund vielerorts auf den Prüfstand gestellt. Der ländliche Raum, mit seinem starken Gewicht und schwachen Strukturen ohnehin eher unterbelichtet in der politischen und medialen Öffentlichkeit, dürfte davon nicht unberührt bleiben. Vorbei sind die Zeiten der immer weiter steigenden Steuereinnahmen, durch die Projekte für zahlreiche Initiativen oder Interessengruppen gefördert werden, egal wie hoch die bürokratischen Kosten sind und welcher sinnvolle Effekt sich am Ende damit erzielen lässt.


Das Bundesland Thüringen will jetzt gezielter fördern. Die Ausgangslage: In dem östlichen Bundesland können Agrarbetriebe und Kommunen in ländlichen Regionen im kommenden Jahr mit rund 73 Millionen Euro aus einem Fördertopf rechnen, der von Bund und Land gefüllt wird. „Der Betrag bewegt sich damit auf dem Niveau dieses Jahres mit 74 Millionen Euro“, sagte Landwirtschaftsministerin Colette Boos-John (CDU) vor der Presse in Erfurt. Und sie fügte diese gute Nachricht dazu: Für Vorhaben in den kommenden Jahren liege der Finanzspielraum für Thüringen bei rund 100 Millionen Euro und damit höher als in diesem Jahr. „Das Geld ist auskömmlich.“


Thüringen investiert in seine ländlichen Räume


Wer zahlt ein? Wie in anderen Bundesländern auch teilen sich Bund und Länder auch für das Bundesland Thüringen die Einzahlungen in den Topf „Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur“. In Thüringen liegt der Schlüssel für die Agrarstruktur bei 60 Prozent, die vom Bund kommen, und bei 40 Prozent, die aus dem Landesetat in die Förderung des ländlichen Raums fließen.


Was soll bewirkt werden? Als gesetzliche Vorgabe gilt, dass die Gelder gezielt „einen wesentlichen Beitrag zur Förderung von Landwirtschaft und ländlichem Raum leisten müssten“. Konkret geht es auch in Erfurt um die Förderung der nachhaltigen Landwirtschaft. Dies umfasst – je nach Couleur der amtierenden Landwirtschaftsminister – Projekte für die Entwicklung ländlicher Gebiete im Lichte des Strukturwandels bzw. des demografischen Wandels. Etwas anders ist die Stoßrichtung in den anderen östlichen Ländern: In Sachsen und Brandenburg – dort ereigneten sich in den vergangenen 20 Jahren zahlreiche Hochwasserkatastrophen – wird der Fokus mehr auf Maßnahmen für den Schutz vor Überflutungen gesetzt. In Brandenburg ist ein weiterer Schwerpunkt der „Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur“ die Wiederaufforstung und der Waldumbau. In diesen Bundesländern hat die Trockenheit in Verbindung mit dem Borkenkäferbefall für erhebliche Schäden an Wald und Forst angerichtet. Sachsen dagegen investiert mehr in den Weinanbau, um die Absatzkrise des heimischen Weinanbaus und die Auswirkungen des Klimawandels zu mildern.


Was soll sich in Thüringen ändern? Grundsätzlich sind aktuell alle Bundesländer aufgerufen, nach dem Ende des Gießkannenprinzips durch den Bund ihre Förderprogramme neu auszurichten, sich zu fokussieren. Thüringen geht einen Schritt weiter. Nach Angaben aus der Staatskanzlei will man in dem Bundesland die Zahl seiner Förderprogramme verringern, ohne die positive Wirkung zu gefährden. Möglich machen sollen es eine Straffung der Maßnahmen, eine Evaluierung der Programme und ein besseres Genehmigungsverfahren.


Zu großer bürokratischer Aufwand für Mini-Programme


Nach Angaben der Staatskanzlei in Erfurt existierten allein in dem Bundesland mit 2,17 Millionen Einwohnern noch 172 verschiedene Programme. Über diese unübersichtlichen Programme werden aus dem Landesetat jährlich rund 1,2 Milliarden Euro investiert. Keine Kleinigkeit bei einem Haushalt mit einem Volumen von 10,2 Milliarden Euro. Doch nicht nur die Ausgabenhöhe und die hohe Zahl der Programme lassen den Handlungsbedarf erkennen: Insgesamt wachen 19 verschiedene staatliche Stellen darüber, ob und dass alle Genehmigungen für die konkreten Fördermaßnahmen rechtlich einwandfrei erteilt worden sind. 19 Stellen – ein riesiger bürokratischer Aufwand und Apparat, den sich das Bundesland nicht mehr leisten kann.


 Die Landesregierung will das jetzt grundlegend ändern. Zunächst nimmt man den bürokratischen Aufwand für 71 Mini-Programme ins Visier, die jeweils Beträge von unter einer Million Euro enthalten. Oft frisst hier der bürokratische Aufwand einen großen Teil der Fördersumme auf, die am Ende nur sehr geringe Wirkung erzielt, um die Lebensqualität im ländlichen Raum oder den Schutz der Natur zu verbessern.

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